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Geschäftsführer Markus Hilkenbach am Schreibtisch

Wieder in gutem Fahrwasser

Interview der BZ über Strukturen, Projekte und Herausforderungen

Seit Februar 2016 ist Markus Hilkenbach Geschäftsführer der Stadtwerke Borken und Coesfeld. Die BZ-Redakteure Sven Kauffelt und Peter Berger haben mit dem 45-jährigen über neue Strukturen, alte Projekte und künftige Herausforderungen gesprochen. 

BZ: Herr Hilkenbach, als Sie vor gut drei Jahren berufen wurden, lautete Ihre Aufgabe, zwei Stadtwerke gleichwertig nebeneinander zu führen. Ist das gelungen?

Hilkenbach: Ja, ist es. Wir sind deshalb auch schon einen Schritt weiter. Die Aufgabe war, zunächst auf Basis eines zweijährigen Projektes zu schauen, ob man aus der Gemeinsamkeit mehr machen kann. Denn auf Dauer ist es nicht möglich, zwei unterschiedliche Strukturen getrennt nebeneinander zu führen. Und wir sind schon nach dem ersten Jahr zu der Erkenntnis gekommen: Ja, das passt gut zusammen.

BZ: Dach der beiden Stadtwerke ist mittlerweile die neu gegründete Emergy. Wie funktioniert das Modell?

Hilkenbach: Die Emergy ist von den Städten Borken und Coesfeld mit dem Auftrag gegründet worden, die beiden Stadtwerke zu führen. Im ersten Schritt haben wir die Führungskräfte dorthin übernommen. Inzwischen ist die Entwicklung weiter fortgeschritten , so dass wir im Rahmen des Gemeinschaftsbetriebs, mit bspw. einheitlichen Organisationsstrukturen und Betriebsvereinbarungen, neues Personal nur noch über die Emergy einstellen und eine einheitliche Logowelt etabliert haben. .

BZ: Das ist nun in mehreren Grüntönen gehalten. Geben sich die Stadtwerke damit einen grünen Anstrich als ökologischer Anbieter?

Hilkenbach: Wir wollten ein gemeinsames Logo ohne die jeweilige Stadtidentiät zu verlieren, und da lag die Farbe grün auf der Hand. Zunächst einmal ist das Münsterland eine grüne Region und deshalb passt das ganz gut. Nichtsdestotrotz sind zudem dezentrale Erzeugung, erneuerbare Energien, alternative Mobilität im ländlichen Raum Themen, mit denen wir uns beschäftigen und identifizieren. Die Farbe geht zumindest nicht am Trend vorbei, auch wenn wir das nicht ideologisch anstreichen wollten. Das Logo ist aber auch wichtig, um den Mitarbeitern im Verbund Borken und Coesfeld eine gemeinsame Identität zu geben, ein Wir-Gefühl zu entwickeln.

BZ: Folgt als nächstes eine Fusion?

Hilkenbach: Wir haben das diskutiert, sind im Moment aber mit dem aktuellen Modell sehr zufrieden. Derzeit können wir ja alle Vorteile nutzen, die auch eine Fusion bieten würde, und gleichzeitig behalten die beiden Städte die Hoheit über separate Entscheidungen in ihren Bereichen. BZ: Ein Vorteil dürfte ein gemeinsamer Einkauf sein. Der Preis spielt bei der Entscheidung, welchen Anbieter Privathaushalte wählen, ja eine wichtige Rolle. Da sind die Stadtwerke im Vergleich teurer als andere Anbieter. Wie überzeugen Sie Borkener davon, Strom und Gas trotzdem von Ihnen zu beziehen?

BZ: Ein Vorteil dürfte ein gemeinsamer Einkauf sein. Der Preis spiel bei der Entscheidung, welchen Anbieter private Haushalte wählen, ja eine wichtige Rolle. Da sind die Stadtwerke im Vergleich teurer als andere Anbieter. Wie überzeugen Sie Borkener davon, Strom und Gas trotzdem bei Ihnen zu beziehen?

Hilkenbach: Ich glaube, dass wir das gut darstellen können. Als Unternehmen kümmern wir uns vor Ort nicht nur um Strom, , Gas, Wasser, Wärme – die Netzsicherheit - sondern auch um lokale Infrastruktur, um Sportsponsoring, um kulturelle Veranstaltungen, um Klimaschutzprojekte, Digitalisierung Smart City , um Car-/Bikesharing, ums Aquarius und viele andere Dinge. Das tun andere Anbieter nicht und das wissen die Menschen auch. Nur über den Preis wird ein Vergleich für uns schwierig – das gilt aber nahezu für alle Produkte, man findet immer ein günstigeres Angebot Aber in einer gemeinsamen Region, die so gut funktioniert wie unsere, haben andere Faktoren für die Menschen immer noch und ich glaube auch zukünftig einen hohen Wert

BZ: Kommt das bei den Kunden an?

Hilkenbach: Ich glaube, das hat mit einem Grundgefühl, mit einer übergreifenden Grundzufriedenheit zu tun. Ja, das kommt an, aber das ist natürlich kein Selbstzweck und funktioniert nur, wenn man mit dem Thema verantwortungsvoll oder sogar mit einer gewissen Demut behandelt, ständig an sich arbeitet  und in einem überregionalem Marktvergleich  eine vernünftige Preispolitik betreibt. Ich glaube, ganau das tun wir. Rein statistisch betrachtet spiegelt sich das auch in unseren Zahlen wieder, mit einer Wechselquoten von im Durchschnitt der letzten Jahre unter einem Prozent im Strom, liegen wir deutlich unter dem bundedeutschen Vergleichswerten.

BZ: Für den städtischen Haushalt war der Gewinnüberschuss der Stadtwerke über viele Jahre ein willkommenes Zubrot. In den vergangenen Jahren ist dieser Posten drastisch zurückgegangen, zuletzt sogar bis auf null. Wie sieht die Erwartungshaltung aus dem Rathaus an Sie aus, dass künftig wieder mehr Geld fließt?

Hilkenbach: Wir haben uns 2016 mit unseren Gremien und der Verwaltung auf eine Bilanzstrategie geeinigt. Ziel war, die Handlungsfähigkeit der Stadtwerke dauerhaft sicherzustellen und die Bilanz in ihrer Substanz zu stärken. Diesen Prozess konnten wir nur angehen, weil die Stadt Borken für drei Jahre bewusst auf die Gewinnausschüttung verzichtet hat. Neben zusätzlichen Einsparungen, Investitionsverhalten oder auch Synergien aus dem Emergyprojekt konnten wir die Ergebnisse nutzen, um deutliche, strukturelle Verbesserungen herbeizuführen.

BZ: Konkret?

Hilkenbach: Wir haben die Eigenkapitalquote von 18 auf 25 Prozent erhöht und die Fremdkapitalverschuldung von 54 auf 45 Prozent gesenkt. Wir haben somit fast zwölf Millionen Euro Fremdverschuldung aus der Bilanz genommen. Das waren Ziele, die wir eigentlich frühestens für 2020 vorgesehen hatten. Damit sind die Stadtwerke wieder in einem guten Fahrwasser.

BZ: Künftig wird die Stadt also auch wieder Gewinnausschüttungen von den Stadtwerken erwarten.

Hilkenbach: Was ja auch okay ist. Dieser Erwartungshaltung wollen wir ja auch wieder gerecht werden und langfristig attraktiv für unsere Gesellschafter sein. Dafür war aber diese Zeit notwendig, um wieder ein Polster zu schaffen und um die Substanz des Unternehmens zu stärken.

BZ: War die Substanz denn gefährdet?

Hilkenbach: Gefährdet nicht, allerdings sahen die Zahlen nicht so gut aus. Das ist ja kein Geheimnis.

BZ: Und ab wann will die Stadt wieder Geld sehen?

Hilkenbach: In der Diskussion sind wir gerade.

BZ: Kern des Geschäftsmodells wird die Energieversorgung bleiben, die mitten in gewaltigen Veränderungen steht. Ist Borken für die Energiewende gerüstet?

Hilkenbach: Die Energiewende wird volkswirtschaftlich bewältigt werden müssen, weil es mal unabhängig von dezentralen Erzeugungsstrukturen in einigen Regionen mehr Windkraf- oder Biogas-Anlagen geben wird als anderswo. Zu den Regionen mit einer höheren Quote an EEG-Anglagen zählt sicherlich das Münsterland. Aktuell haben wir allein Borken einen Anteil von EEG-Strom von über 50 Prozent. Damit liegen wir regional schon über den Zielvorgaben der Bundesregierung. Bundesweit warten da aber noch viele Aufgaben auf uns.

BZ: Wo sehen Sie weitere Potenziale? Die Windkraft scheint politisch in Borken ja nicht gewollt zu sein.

Hilkenbach: Naja, wenn man sich die Landkarte ansieht, dann sieht man, dass Borken stark zersiedelt ist. Es gibt also viele Streusiedlungen und Einzelgehöfte, die – zumindest nach der aktuellen Gesetzgebung – eine Ausweisung von Windzonen sehr schwierig machen. An der politischen Bewertung beteilige ich mich nicht (lacht).

BZ: Lange vor ihrer Zeit haben sich die Stadtwerke an einem Offshore-Windpark in der Nordsee beteiligt. Das Projekt kam damals nur sehr schleppend in die Gänge, weil die nötigen Leitungen nicht vorhanden waren. Hat sich die Investition im Nachhinein noch gelohnt?

Hilkenbach: (überlegt lange) Schwierig zu sagen. Im Moment ist die Kalkulation so, dass wir keinen Verlust mit dem Projekt machen.

BZ: Das ist ja aber schon deutlich weniger als das, was man sich damals davon versprochen hat.

Hilkenbach: Das kann ja auch noch kommen, bei solchen Prognosen bin ich vorsichtig. Das Projekt war damals und ist auf lange Zeit angelegt, und wer von uns kann heute schon den Strompreis im Jahr 2025 prognostizieren. Wenn bspw. der Börsenpreis Strom zukünftig im Kontext der Abschaltung von Atomkraftwerken und Kohleausstiegszenarien steigt, weil erneuerbare Energien die Grundlast noch nicht zeitgleich gewährleisten können hätte das direkte Auswirkungen auf unser Projekt – in diesem Falle positive.

BZ: War die Investition aus Ihrer heutigen Sicht richtig?

Hilkenbach: Die Zeit war eine ganz andere. Damals war es sicher richtig, in eigene Erzeugungsstrukturen zu investieren, allein um sich gegenüber den großen Anbietern auf dem Markt abzusichern. Der Strommarkt an der Börse war noch nicht „liquide“ und der wesentliche Erzeugungsanteil auf drei oder vier große Unternehmen verteilt.

BZ: Können Sie sich weitere Beteiligungen dieser Art vorstellen?

Hilkenbach: Aktuelle nicht, wir konzentrieren uns wenn auf regionale Projekte.

BZ: Das zweite Megathema hängt mit dem ersten zusammen: Klimaschutz. Was tun die Stadtwerke in diesem Bereich?

Hilkenbach: Ich glaube, dass alle Themen beim Klimaschutz, die mit Energie zu tun haben, eine Schnittstelle zu uns haben. Dass wir zum Beispiel am Borkener Klimaschutzkonzept mitgearbeitet haben, ist für uns selbstverständlich. Auch dass wir darüber hinaus an konkreten und inhalichen Umsetzungsprojekte arbeiten. . Ein Beispiel ist das Pilotprojekt E-Carsharing. Wir haben ein System installiert , mit dem unsere Mitarbeiter die Elektro-Autos aus unserer Flotte am Wochenende oder Abends nutzen können. Weiter haben wir für Borken und Coesfeld 50 E-Bikes inkl. fertigem E-Bike-Sharing-System gekauft . Haben gemeinsam einen Förderantrag für E Ladestationen auf den Weg gebracht und stehen kurz vor der Ausschreibung eines gemeinsamen dynamischen Parkleitsystems. Das Thema Klimaschutz findet sich in all diesen Projekten wieder und sie tragen zudem zu einer Attrativierung und Weiterentwicklung der Stadt bei. 

BZ: Beim Thema E-Mobilität wird die Frage diskutiert, woher der Strom dafür eigentlich kommen soll.

Hilkenbach: Ich glaube nicht, dass es ein Problem sein wird, den Strom zu erzeugen. Die Schwierigkeit liegt eher darin, die Leistung zu steuern: Wann braucht wer wo wie viel Leistung? Das ist enorm komplex, erfordert intelligente Lösungen und dafür müssen die Netzbetreiber Antworten liefern – auch wir.

BZ: Wird der Verbrauch von Strom und Gas in den nächsten Jahren eher steigen oder sinken?

Hilkenbach: Ich glaube, dass der Stromverbrauch der Haushalte unterm Strich eher steigen wird wegen zusätzlicher Bedarfe. Stichwort Smart Home, E-Mobilität und so weiter. Der Gasverbrauch wird eher zurückgehen wegen der steigenden Energieeffizienz.

Quelle: Borkener Zeitung vom 25.05.2019
Foto: Markus Schönherr